„Biofeedback“ ist ein
Grundprinzip allen Lebens, wenn nicht sogar dessen wichtigstes. Es
beschreibt die Fähigkeit, Reize wahrzunehmen und sich ihnen in Form
veränderten Verhaltens anzupassen. Dabei erfolgt die Anpassung solange
nach dem „Prinzip von Versuch und Irrtum“, bis ein Verhalten
herausgefiltert ist, das optimale „Feedbacks“ liefert. Von „Biofeedback“
im engeren Sinne spricht man in der Medizin, wenn man mit Hilfe von
Geräten körperliche Vorgänge wahrnehmbar macht, die unserer Aufmerksamkeit
ohne diese Hilfe nicht zugänglich wären. Die instrumentell erzeugten
Signale erleichtern es dem Anwender, aus seinem Repertoire dasjenige
Verhalten herauszufiltern, das besonders günstige Signale auslöst und
deshalb meist mit einer gesundheitlichen Verbesserung einhergeht.
1. Hintergrund und
Prinzip
Viele körperliche
Vorgänge sind uns im Alltag nicht bewusst. Zu einem bestimmten Zeitpunkt
können wir immer nur einen Bruchteil unseres „biologischen Zustandes“
wahrnehmen. Voraussetzung ist, dass betreffende Prozesse eines oder (im
günstigsten Fall) sogar mehrere unserer Sinnesorgane erregt. Außerdem
müssen wir unsere Aufmerksamkeit auf das Geschehen richten. Funktioniert
beides, eröffnet sich uns die Möglichkeit, die betreffenden Vorgänge
willentlich zu beeinflussen.
Noch relativ einfach
gelingt uns dies bei der Atmung: Wird uns bewusst, dass wir zu schnell
atmen, können wir meist problemlos auf einen langsameren Takt umstellen.
Ähnliches gilt für Verspannungen in größeren Muskelgruppen, bei denen es
viele Menschen schaffen, willentlich wieder etwas „lockerer zu lassen“
(sofern sie sich ihrer Verspannungen bewusst sind). Schon schwieriger wird
es, wenn es darum geht, ein „rasendes Herz“ zu verlangsamen, ein hochrotes
Gesicht zu normalisieren oder Schweißausbrüche zu beenden. Spätestens beim
Versuch, einen zu hohen Blutdruck zu senken, dürften die meisten
kapitulieren.
Die aufgezeigten
Unterschiede erklären sich dadurch, dass man relativ leicht erlernen kann,
Skelettmuskeln zu kontrollieren. Das kann jeder an sich selbst überprüfen,
wenn er versucht, unbekannte Bewegungsabläufe zu trainieren
(beispielsweise als Rechtshänder die linke Hand einzusetzen). Beim
Benutzen der Skelettmuskulatur liefern uns besonders der Lage- und
Tastsinn sowie unsere Augen eine Fülle an Rückmeldungen darüber, ob sich
die Muskeln bereits in der gewünschten Weise bewegen. Ist das nicht der
Fall, üben wir solange weiter, bis das angestrebte „Bewegungsprogramm“
gefunden ist. Dieses schleifen wir dann durch Wiederholungen solange ein,
bis es uns „in Fleisch und Blut übergegangen ist“ (wir also nicht mehr
unsere Aufmerksamkeit darauf konzentrieren).
Bei vielen
Körperfunktionen fehlt uns leider eine dem Bewegungsapparat vergleichbare
Fülle an „Feedback-Lieferanten“. Beispiel dafür ist der bereits erwähnte
Blutdruck. Um ihn genau registrieren zu können, sind wir in aller Regel
auf Messgeräte angewiesen, die uns dann gleichsam als „Ersatzsinnesorgan“
dienen. Solche „Ersatzsinnesorgane“ sind die Grundlage der therapeutischen
„Biofeedback-Verfahren“.
Um ein wirksames
„Feedback“ geben zu können, muss die Rückmeldung durch das Messgerät
allerdings schnell erfolgen. Anderenfalls können wir kein Gespür dafür
entwickeln, wie sich der Zustand anfühlt, den uns das Gerät gerade
anzeigt. Denn wenn die Meldung erst eintrifft, wenn sich der körperliche
Zustand erneut verändert hat, können wir keinen Zusammenhang mehr zwischen
dem gemessenen Wert und dem gefühlten Körperzustand herstellen. Auch darf
unsere Aufmerksamkeit nicht durch andere Dinge abgelenkt sein, da wir
sonst kein bewusstes Gefühl für den aktuellen Körperzustand entwickeln
können. Deshalb sind z. B. handelsübliche Blutdruckmessgeräte leider keine
idealen „Biofeedback-Geräte“. Denn zum einen dauern ihre Messungen relativ
lange, zum anderen ist man gerade bei der Selbstmessung so intensiv mit
dem Messvorgang beschäftigt, dass man sich kaum auf das momentane
Körpergefühl konzentrieren kann.
Weitaus geeignetere
Biofeedback-Geber sind Instrumente, die die Leitfähigkeit der Haut oder
den Puls messen. Solche Geräte erleichtern es dem Benutzer, sich ganz auf
sein momentanes Körpererleben zu konzentrieren, während er durch optische
oder akustische Signale erfährt, ob er sich dem erwünschten Ziel
(Beispiele: Senkung von Schweißbildung, Herzfrequenz oder
Muskelanspannung) nähert oder sich eher davon entfernt. Diese Methode
ähnelt Kinderspielen, bei denen man mit verbundenen Augen etwas sucht,
während man von den Mitspielern durch die Information „heiß“ oder „kalt“
erfährt, wie aussichtsreich das momentane Suchverhalten gerade ist.
Wird der Zielzustand
erreicht, kommt es darauf an, sich das damit verbundene Erleben soweit
einzuprägen, dass es später willentlich – und ohne äußeren Feedback-Geber
– wieder hergestellt werden kann. Dabei ist es wichtig, Unterschiede
zwischen dem Zielzustand („Entspannung“) und dem unerwünschten Zustand
(„Verspannung“) erkennen zu können. Wenn dies gelingt, kann man sich
selbst das Feedback geben, das anfänglich vom Feedbackgerät geliefert
werden musste.
Biofeedback hilft uns
also, aus der Fülle möglicher Körperzustände besonders günstige
„herauszufiltern“ und sie so einzuüben, dass sie uns bei Bedarf leichter
zur Verfügung stehen. An die Stelle des äußeren Biofeedback-Gebers tritt
allmählich ein durch Gespür zu identifizierender und willentlich
herbeizuführender Körperzustand, der mit dem angestrebten Zielzustand eng
gekoppelt ist. Die Situation ähnelt somit einem Krimi, in dem eine
entführte Person mit verbundenen Augen versucht, alle möglichen Reize
(Straßengeräusche, Temperaturen, Gerüche) wahrzunehmen, um mit Hilfe des
Gesamteindrucks das Versteck später wiederzufinden.
Exkurs:
Vermutlich verdanken wir auch unsere Fähigkeit, Gefühle wahrnehmen zu
können, einem Biofeedback-Prozess. Indem andere Mensch auf uns traurig,
freudig, ängstlich usw. reagieren („Gefühlsansteckung“), liefern sie uns
Rückmeldungen darüber, dass auch in uns selbst zum selben Zeitpunkt
emotionale Vorgänge ablaufen. Der entsprechende Lernprozess setzt schon in
den ersten Lebenstagen ein. Wenn wir Glück haben, helfen uns unsere
Bezugspersonen in dieser wichtigen Lebensphase, eine Vielfalt an Gefühlen
wahrzunehmen und mit diesen angemessen umzugehen. Läuft es weniger gut,
etwa weil die Eltern depressiv oder abwesend sind bzw. emotional nicht
reagieren, wird das Kind später vermutlich Schwierigkeiten haben, eigene
Gefühle zu erkennen. Möglicherweise wird es dann verstärkt dazu neigen,
die mit Gefühlen verbundenen körperlichen Veränderungen (z.B. Herzrasen,
Durchfall, Schwitzen) nicht als Gefühlsausdruck, sondern als gefährliche
„Krankheit“ zu werten.
2. HRV-Biofeedback
Aus der Vielfalt der
heute zur Verfügung stehenden Biofeedbackgeräte soll hier nur das
HRV-Feedback vorgestellt werden.
Wie an anderer Stelle
bereits erläutert, spiegelt sich in der Herzratenvariabilität (HRV) das
momentane Gleichgewicht zwischen den beiden Polen unseres autonomen
Nervensystems wider: Dem auf Ruhe und Entspannung gerichteten
Parasympathikus und dem auf Aktivierung abzielenden Sympathikus. Dieser
Zusammenhang lässt sich nutzen, um Rückmeldungen über unseren momentanen
Spannungs- bzw. Entspannungszustand zu erhalten.
Die auf dem Markt
erhältlichen HRV-Biofeedback-Systeme nehmen die Herzrate/-frequenz in der
Regel mit einem Ohr- oder Fingerclip ab, um diese dann in Form einer
Herzfrequenzkurve oder bereits berechneter HRV-Werte anzuzeigen, teilweise
spiegeln auch spielerische Formen und Symbole (z. B. ein Schmetterling)
den Ausprägungszustand der HRV wieder, was in der Regel als motivierender
und spaßvoller empfunden wird. Die zugehörigen Software-Programme
ermöglichen dann eine detaillierte Auswertung der Übungen, um als Patient
oder Therapeut auch nach der eigentlichen Sitzung Schlüsse ziehen und
Entwicklungen und Fortschritte nachverfolgen zu können.
Einige Pulsuhren
bieten ähnliche und vor allem mobile Lösungen. Voraussetzung ist, dass das
Mess-System die HRV, nicht nur die Herzfrequenz anzeigen kann.
Polar-Modelle zeigen die HRV als R-R-Variation (RS800) oder RLX-Wert
(S810(S810i) in ms an (ein sich laufend verändernder Wert). Dabei
entsprechen große Zahlen einem starken Einfluss des Parasympathikus, also
einer guten „Entspannung“.
Die Modelle FT 80 und
F55 bieten dahingegen einen kurzen Test (OwnRelax), der den Nutzer
anleitet, über 5 Minuten zu entspannen. Im Anschluss wird eine Bewertung
ausgegeben, wie gut es geklappt hat (d. h., ob die HRV durch die
Entspannung ansteigen konnte). Dieser kurze Test kann auch als aktive
Biofeedback-Übung genutzt werden, indem man während der Messung tief und
langsam atmet (Taktatmung), um die HRV zu vergrößern. Die Veränderung der
HRV kann während der gesamten Test-Zeit beobachtet und als Feedback
genutzt werden.
Wer sich nicht scheut,
im Alltag Brustgurt und Uhr zu benutzen, kann mit Hilfe der beschriebenen
Feedbackmethode laufend den eigenen Entspannungszustand überprüfen und
dafür allmählich ein Gespür entwickeln. Das System hat den Vorteil, dass
man sich überall und jederzeit ein Feedback verschaffen kann.
3. Therapeutischer
Nutzen
Biofeedback ist vor
allem Menschen zu empfehlen, die sich ihren körperlichen Symptomen
ausgeliefert fühlen bzw. von diesen regelrecht beherrscht werden (etwa
Panik oder sogenannten Somatisierungsstörungen). Biofeedback kann den
Betroffenen die heilsame Erfahrung vermitteln, körperliche Vorgänge bis zu
einem gewissen Grad kontrollieren zu können. Dies stärkt in aller Regel
das Grundvertrauen und im wahrsten Sinne des Wortes auch das
„Selbstbewusstsein“.
Aber auch andere
Menschen mit eingeschränkten HRV-Werten (durch z. B. Stress, Übertraining,
einen ungesunden Lebensstil o. ä.) können vom HRV-Biofeedback-Training
profitieren, Durch die gezielte und effektive Vergrößerung und
Stabilisierung der HRV wird ein bedeutsamer Risikofaktor (die
eingeschränkte HRV) verkleinert und die Lebensqualität, die „globale
Fitness“, vergrößert. |